Waterhole

Left Right

Document of Date Exchange

2013

c-prints and videowork

Waterhole

En / De

In the desert people communicate where they meet. The probability of an encounter is higher in the vicinity of the rare waterholes. The silence is broken with a greeting, information is exchanged and all coordinates of those people whose paths have recently crossed are announced. In this way I also search for my flock of goats every year.

In der Wüste wird kommuniziert, wo man sich trifft. Die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung ist im Umkreis der raren Wasserstellen höher. Die Stille wird mit einem Gruß durchbrochen, Informationen werden ausgetauscht und alle Koordinaten jener Menschen, deren Wege sich jüngst kreuzten, werden bekanntgegeben. Auf diese Weise suche auch ich jährlich meine Ziegenherde.

En / De

It is precisely this green sprouting that is embedded in the goat cheese, that these men are reverently tracking for. The video Waterhole shows a place behind the three passes near Octopus Mountain and Umrasik with his white camel.

Und eben dieses grüne Spriessen wird eingebettet in den Ziegenkäse, dem diese Männer pietätvoll auf der Spur sind. Das Video Waterhole zeigt einen Ort hinter den drei Pässen nahe des Oktopusbergs und Umrasik mit seinem weissen Kamel.

Waterhole

En / De

Hathra is shepherding my goats in the wadis of South Sinai. She is illiterate and has no mobile phone. In the desert people communicate where they meet. The probability of an encounter is higher in the vicinity of the rare waterholes. The silence is broken with a greeting, information is exchanged and all coordinates of those people whose paths have recently crossed are announced. In this way I also search for my flock of goats every year. In 2013 we crossed three passes with the camels, which would be insurmountable when motorized. The search took five days. Hathra spent a spring blessed with rain near this waterhole. Stunningly my animals had hardly drunk for weeks, as they absorb the water from the freshly sprouting plants, the shepherdess told me in the very beginning of our encounter. The meaning of a water-storing flora permeated me at this moment like never before. I told Hathra about her friend Nassra, who wanted to wag her tail at the sight of the full rainwater reservoir. "If I were a dog, I'd just want to do this" she moved her index finger wagging from left to right. That's exactly how she described it to me. On our search for my goats we were surprised to be accompanied by Umrasik. When we saddled the camels for the first pass, he was suddenly there. The winds had told him that we were on our way to his sister Hathra. The old Bedouins liked to travel and he wanted to take the opportunity to ride with us to get goat cheese and some butter from his sister. His white camel was loaded with flour and onions for the exchange. The goat cheese is passed on to the Bedouins in the family. From the women to the men. It is the essence of every shepherdess who lives with her flock. During our pass crossings we met three other men who were alone and walking in the rubble to their mothers to fetch goat cheese. "I'm on my way to my mother, I'll get fresh cheese." At the announcement of their travel plans I could see a similar sparkle in the eyes of all the men. My nostrils were inspired by their sparkle, by the force of the rain in the cheese. Since 18 years I have been annually trekking through the Sinai desert with the Bedouins from the Tarrabeen tribe for several weeks. This year I was able to experience for the first time what Bedouins often dream of day and night: the transformational power of water in hot sand. In the desert, water becomes an intoxication for humans and animals. A natural "high", an exhilarating power fills the moment, every interaction. Every deliberate point of contact with the vitalizing surface of the earth confirms the  testimony of liveliness. Alhamdulillah. River courses that have been dried out for ages testify to the elemental encounter of forces. Dedusted, aggravated, the rock shines in old freshness. A subtle touch of chlorophyll flows through the wadis and the potential of the seeds, which patiently waited to sprout just now, right now. And it is precisely this sprouting that is embedded in the cheese that these men are reverently tracking for. The video Waterhole shows this waterhole behind the three passes near Octopus Mountain and Umrasik with his white camel. Umrasik fills his canister with water for the last time before we make our way back. He has goat cheese in the pockets of his jacket and a PET bottle of fresh butter in the bag on his camel. After crossing the passes, Umrasik suddenly dies of natural causes. He is buried the same evening in the red blanket of his white camel.

Meine Herdenhüterin Hathra ist Analphabetin und hat kein Mobiltelefon. In der Wüste wird kommuniziert, wo man sich trifft. Die Wahrscheinlichkeit einer Begegnung ist im Umkreis der raren Wasserstellen höher. Die Stille wird mit einem Gruß durchbrochen, Informationen werden ausgetauscht und alle Koordinaten jener Menschen, deren Wege sich jüngst kreuzten, werden bekanntgegeben. Auf diese Weise suche auch ich jährlich meine Ziegenherde. Im Jahr 2013 überquerten wir mit den Kamelen drei Pässe, die motorisiert unüberwindbar wären. Die Suche dauerte fünf Tage. Hathra verbrachte einen von Regen gesegneten Frühling in der Nähe dieser Wasserstelle. Erstaunlicherweise hatten meine Tiere schon wochenlang kaum mehr getrunken, da sie das Wasser über die frisch spriessenden Pflanzen aufnehmen, erzählte mir die Hirtin sogleich freudig. Die Bedeutung einer wasserspeichernden Flora durchdrang mich in diesem Moment wie nie zuvor. Ich berichtete Hathra von ihrer Freundin Nassra, die beim Anblick ihres vollen Regenwasser - Reservoirs vor Freude mit dem Schwanz wedeln wollte, wäre sie ein Hund gewesen. „Wäre ich ein Hund, würde ich so machen wollen,“ dabei bewegte sie ihren Zeigefinger wedelnd von links nach rechts. Genau so hat sie es mir geschildert. Auf unserer Suche nach meiner Herde wurden wir überraschenderweise von Umrasik begleitet. Als wir die Kamele für den ersten Pass sattelten, war er plötzlich da. Die Winde hatte ihm zugetragen, dass wir uns auf dem Weg zu seiner Schwester Hathra befinden. Das stimmte den alten Beduinen reiselustig und er wollte die Gelegenheit nutzen, mit uns zu reiten, um von seiner Schwester Ziegenkäse zu bekommen und etwas Butter. Sein weisses Kamel war für den Austausch mit Mehl und Zwiebeln beladen. Der Ziegenkäse wird bei den Beduinen in der Familie weitergegeben. Von den Frauen an die Männer. Es ist die Essenz jeder Hirtin, die mit ihrer Herde lebt. Bei unseren Passüberquerungen trafen wir auf drei weitere Männer, die alleine und zu Fuss im Geröll unterwegs waren zu ihren Müttern, um Ziegenkäse zu holen. „Ich bin auf dem Weg zu meiner Mutter, ich werde frischen Käse bekommen.“ Bei der Kundgabe ihrer Reisepläne konnte ich bei allen Männern ein ähnliches Funkeln in den Augen erkennen. Meine Nasenflügel wurden durch ihr Funkeln beflügelt, von der Kraft des Regens im Käse. Seit 18 Jahren bewege ich mich jährlich für mehrere Wochen mit den Beduinen aus dem Stamm der Tarrabeen durch die Wüste Sinai. Dieses Jahr durfte ich zum ersten Mal erleben, wovon die Beduinen oft Tag und Nacht träumen: die Transformationskraft des Wassers im heissen Sand. Das Wasser wird in der Wüste zum Rausch für Mensch und Tier. Ein natürliches „High“, eine berauschende Kraft erfüllt den Moment, jede Interaktion. Jeder bewusste Berührungspunkt mit der vitalisierenden Erdoberfläche wird zu einem Zeugnis der Lebendigkeit. Alhamdulillah. Seit Ewigkeiten ausgetrocknete Flussläufe zeugen vom elementaren Aufeinandertreffen der Kräfte. Entstaubt, verschärft erstrahlt der Fels in alter Frische. Ein zarter Hauch von chlorophyll durchströmt die Wadis und das Potenzial der Samen, die geduldig harrten, um eben jetzt, genau jetzt zu spriessen. Und eben dieses Spriessen wird eingebettet in den Käse, dem diese Männer pietätvoll auf der Spur sind. Das Video Waterhole zeigt diese Wasserstelle hinter den drei Pässen nahe des Oktopusbergs und Umrasik mit seinem weissen Kamel. Umrasik befüllt seinen Kanister zum letzten Mal mit Wasser, bevor wir uns auf die Rückreise machen. Er hat Ziegenkäse in seinen Jackentaschen und am Kamel eine PET Flasche mit frischer Butter. Nach dem Überqueren der Pässe stirbt Umrasik schlagartig eines natürlichen Todes. Er wird am selben Abend in der roten Decke seines weissen Kamels begraben.

Waterhole
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